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Laktat – Mythen und Fakten

Laktat wird oft als Leistungslimitierender Faktor genannt. Dies ist wissenschaftlich jedoch längst widerlegt. 2PEAK hat die Fakten zu Laktat und Laktat-Diagnostiken.

running towards horizon

Laktat hat einen bösen Klang in den Ohren von Ausdauersportlern. Damit assoziiert man kurze steile Hügel und schmerzende Beine. „Saure», mit Laktat „vollgelaufene» Beine werden gerne als Argument benutzt, wenn die Kraft schwindet. Alles Quatsch, sagt die Wissenschaft – und das seit nun bald dreißig Jahren. Laktat ist gut und nützlich, ja sogar lebensnotwendig. Aber manche Dinge klingen einfach so plausibel, dass sie, wenn sie erst mal in der Welt sind, kaum mehr auszumerzen sind. Der schlechte Ruf von Laktat gehört dazu.

Woher der schlechte Ruf?

Und das kam so: Schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts entdeckten Physiologen, dass mit einer verstärkten körperlichen Anstrengung ein Anstieg des Laktatspiegels im Blut einher geht. Später entstand daraus die Theorie, dass Laktat die Muskelleistung beschränkt. Damit war der Grundstein für ein schlechtes Image und ein Missverständnis gelegt: Bis Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts galt Laktat als Abfallprodukt des anaeroben Stoffwechsels, der die Ausdauerleistung limitiert. Laktat war schlecht. Ein Image, das sich in der öffentlichen Wahrnehmung bis heute kaum geändert hat, obwohl die Forschung seit bald dreißig Jahren weiter ist.

Was ist Laktat?

Laktat ist ein Stoffwechselzwischenprodukt, das bei vielen Prozessen im Körper eine wichtige Rolle spielt. Laktat wird gebildet, sobald irgendeine Muskelzelle Kohlenhydrate verbrennt. Der größte Teil des Laktats wird im Muskel selber wieder direkt verbrannt, kann aber auch über so genannte „Transporter» in andere Muskelzellen des gleichen Muskels verfrachtet und dort verfeuert werden.

Laktat wird aber auch über die Blutbahn befördert und dient zum Beispiel dem Herzen als Brennstoff, das bis zu 60% seiner Energieaufnahme über Laktat deckt! Für den Laktatabbau ist Sauerstoff notwendig. Auch in Ruhe wird Laktat gebildet und verbraucht. Bei sehr hohen Leistungsanforderungen wird aber mehr Laktat produziert, als abgebaut werden kann, dadurch steigt der Blutlaktatspiegel an.

Leistungslimitierend ist Laktat nach jüngster Forschung nicht. Es gibt sogar Hinweise, dass das Gegenteil zutrifft. In Experimenten mit Ratten konnten höhere Muskelleistung erzielt werden, nachdem den Tieren von außen Laktat zugeführt wurde. Gleichwohl lässt sich die Anhäufung von Laktat im Blut als Indikator dafür verwenden, dass der Körper zu sehr auf den anaeroben Stoffwechsel zurückgreift, um die benötigte Leistung bereitzustellen und es daher bald zu einem Leistungsabbruch kommen wird.

Trainingskonzepte

Tough Intervall session

Als Indikator für die Ausdauer-Leistungsfähigkeit wird Laktat seit nun bald 40 Jahren in diversen Testverfahren verwendet. All diesen Verfahren ist gemein, dass sie auf einem Schwellenkonzept basieren. Unter Schwelle wird dabei allgemein ein Leistungs- und trainingsrelevanter Umschlagpunkt verstanden, ab dem sich Gleichgewichtszustände verschieben.

Die «Schwelle»

Für die Mehrzahl der Diagnostiker ist die anaerobe Schwelle der Dreh- und Angelpunkt der Argumentation. Je höher diese liegt, umso besser ist die Ausdauerleistung – so die gängige Arbeitsthese. Die Schwelle ist zudem die Eingangsgröße zur Unterteilung der Trainingsintensitäten in Trainingsbereiche (bei 2PEAK: Feld ANS in den Trainingsbereichen). Die Trainingsbereiche werden dann in der Regel in Prozenten der Leistung an der Schwelle ausgedrückt oder in die entsprechenden Herzfrequenzwerte übersetzt.

Zur Schwelle gibt es eine verwirrende Vielzahl von Definitionen und Auswerte-Konzepten. Die wissenschaftlich korrekte Definition der anaeroben Schwelle ist die Leistung beim maximalen Blutlaktat-Fließgleichgewicht, wenn sich Laktabildung und –abbau gerade noch die Waage halten. Die Blutlaktatkonzentrationen beim maximalen Blutlaktat-Fließgleichgewicht ist nicht konstant, sie kann je nach Sportler und Muskelfaserzusammensetzung in einem weiten Bereich zwischen 2 und 7 mmol/l liegen.

Dieser Gleichgewichtszustand kann über mehrere dreißigminütige Tests, die mit gleichmäßiger Leistung absolviert werden, exakt bestimmt werden. Problem: Dieses Verfahren ist sehr zeitaufwändig. Fünf solcher Tests sind dazu meist notwendig. Daher suchte man nach Abkürzungen, um zur gleichen Aussage zu gelangen.

Konzept Stufentest

Daraus entstand das Konzept des Stufentests. Dieser stellt den Versuch dar, mit Stichproben die anaerobe Schwelle zu finden. Dazu wird auf einem Ergometer schrittweise die Belastung erhöht. Am Ende jeder Belastungsstufe wird ein Tropfen Blut aus dem Ohrläppchen entnommen und auf seine Laktatkonzentration analysiert. Aus einem festen Laktatwert („fixe Schwelle») oder einem überproportionalen Anstieg der Blutlaktatkonzentration („individuelle Schwelle») wird dann die anaerobe Schwelle festgelegt.

Ausgangspunkt war, dass man bei Läufern beobachtet hatte, dass sie ihre Dauerleistungsgrenze bei einem bestimmten Stufentestprotokoll auf dem Laufband bei einer festen Konzentration von 4 mmol/ml im Blut erreichtem. Aus dieser Beobachtung entstand das (später auch umstrittene) Modell der 4 mmol Schwelle. Da die so ermittelten Werte für Radfahrer oft nicht zutrafen (Abweichungen in beide Richtungen), wurden dann andere Auswertemethoden entwickelt, die auf verschiedene Weise die in den Messungen ermittelten Laktatkurven interpretierten.

An der Grundproblematik ändert das jedoch nichts. Laktat-Stufentests sind ungenau und nicht dazu geeignet, kleine Leistungsfortschritte zu detektieren. Schlimmer noch: Diagnostiken korrelieren nicht mit Rennergebnissen. Daher finden sich immer wieder Fälle, wo sich Sportler sichtlich verbessert haben (mehr Power, bessere Rennergebnisse), in einer Laktatdiagnostik aber bescheinigt bekommen, dass sie keine Fortschritte gemacht haben. Das sorgt für Frust und Verunsicherung.

Die ganze Methode ist daher fragwürdig und nur als erste Standortbestimmung geeignet. 2PEAK Profi-Coach Benoit Nave sagt: „Laktat interessiert mich schon lange nicht mehr. Es ist nicht das Laktat, das uns schnell oder langsam Laufen oder Radfahren lässt.»

Alternativen: Maximal-Leistungstests

Besser als Laktat-Tests sind regelmäßige Standortbestimmungen durch Maximal-Leistungstests über verschiedene Zeiträume vom Sprint bis zur Ausdauerleistung über 20 Minuten oder länger (MP Tests). Hiermit lassen sich Leistungsprofile erstellen, die auch eine Aussage darüber erlauben, welche Energiesysteme gut und welche schlecht arbeiten. Vorteil dieser Methode: sie ist nicht nur besonders aussagefähig sondern sogar kostenlos!

Eine diagnostische Methode, die weitere Erkenntnisse liefert, ist die Spiroergometrie. Diese Atemgasuntersuchung erlaubt einen tieferen Blick in den Körper und die zugrunde liegenden Mechanismen der Energiebereitstellung. So lässt sich zum Beispiel untersuchen, wie groß der Anteil der Fettverbrennung an der Energiebereitstellung bei verschiedenen Leistungsstufen ist.

«generelle Infos zur Spiroergometrie»

Fazit

Laktat ist lebensnotwendig. Es ermöglicht uns, höhere Belastungen ein bisschen länger durchzuhalten. Laktat-Stufentest-Diagnostiken sind aber mit Vorsicht zu genießen. Sie sind okay für eine erste Einschätzung des Leistungspotentials eines Ausdauersportlers. Mit Laktatwerten alleine das Trainings fein zu steuern und Trainingsfortschritte zu überprüfen, ist jedoch unmöglich.